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Ruß/Friedhof

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Inhaltsverzeichnis

Friedhöfe in Russ

Artikel aus dem Memeler Dampfboot

Der alte Kirchhof in Ruß

Auch Kirchhöfe bilden einen Teil der Geschichte eines Ortes und oft nicht den geringsten. Das gilt besonders von sehr alten Kirchhöfen, wie demjenigen an der Kirche in Ruß, der feierlich um 1870 aufhörte, Begräbnisstätte zu sein, und im Jahre 1904 planiert und mit Anlagen versehen wurde. Nach dem Kriege gewann er durch einen Gedenkstein für die Gefallenen und durch eine Ehrentafel in der äußeren Kirchenwand mehr den Charakter eines Heldenhains. Der jetzige, nun auch schon nicht mehr neue Rußer Kirchhof, der einen sehr gepflegten Eindruck macht und von altbekannten Namen und früherem Wohlstand erzählt, befindet sich an der Straße nach Pokallna.

Die Kirche und auch der alte Kirchhof befanden sich in alter Zeit auf einer schmalen Landzunge zwischen Athmath und Sklade. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts versumpfte die Sklade immer mehr und heute befindet sich da, wo sie einst ging, der Marktplatz. Wo heute die Wagen auffahren, legten früher die Boote an, wie man es auf einer Deckenzeichnung der Aula der Herderschule in Heydekrug sieht. Da die schmale Insel, auf der die Kirche stand, vom Hochwasser stets umspült wurde, so mußte die Fläche für den Kirchhof erst aufgeschüttet werden, damit nicht das Wasser in die Särge drang.

Aus diesem Grunde war der Raum, der zum Begraben zur Verfügung stand, in Ruß immer verhältnismäßig klein, besonders, da auch die umliegenden Ortschaften Warruß, Pokallna, Szieße, Brionischken, Jodekrandt, Tulkeragge, Kuwertshof und Antonischken hier begruben. Besonders schwierig wurden die Verhältnisse, als Ruß aufblühte und auch die Bevölkerungszahl sich erheblich vermehrte.

Der Ort neben der Kirche hat etwa 500 Jahre als Begräbnisplatz gedient. Es sind wohl an 20 000 Menschen hier begraben, so daß man wahrhaft auf Staub und Asche seiner Vorfahren hier wandelt. Am Ende des 18. Jahrhunderts, als Ruß sich auszudehnen begann, wurde der Platz so enge, daß man schon an eine Erweiterung dachte. Damals wurde nur auf dem vorderen Teil begraben, dahinter lagen Teich und Gemüsegarten des Pfarrers.
Im Jahr 1800 wurde sehr über den Kirchhof geklagt, und der Kreis-Justizkommissarius aus Memel bekam den Auftrag, die Verhältnisse zu untersuchen. Er fand eine starke Überfüllung. Bei jedem Herstellen eines neuen Grabes wurde ein Sarg mit nur halb verwestem Körper gefunden. Das rief natürlich in der Gemeinde eine berechtigte Aufregung hervor. Diese traurigen Verhältnisse des Friedhofes paßten ganz zu der elenden, scheunenartigen, hölzernen Kirche, die nach dem Brande von 1774 aufgebaut worden war und nun schon 26 lange Jahre stand. Der Regierungsbeamte schrieb in seinem Bericht: „Die toten Glieder der Gemeinde Ruß sind mit dem Kirchhof ebenso schlecht versehen, wie die Lebenden mit der Kirche.“

Nun kam der unglückliche Krieg und eine lange Notzeit, in der am Kirchhof nichts verbessert wurde. Der damalige Pfarrer Wahl ließ den Dingen seinen Lauf. Wenn die Leichen fünf Jahre geruht, mußten sie wieder heraus, um anderen Platz zu machen. Oft fand man an der Stelle, wo ein neues Grab geschaufelt wurde, drei bis sechs Totenköpfe, zum Teil mit Haaren und seidenen Bändern.

Es wurde vorgeschlagen, daß man das Stück zwischen dem Kirchhof und dem Amt hinzu nahm. Der Platz gehörte früher der Kirche, war aber seit 1770 im Besitz des Amtsrathes, der nicht zu bewegen war, das Land für diesen Zweck herzugeben. Pfarrer Ziegler gab nun von seinem Land zwei Morgen ab, diese wurden im Jahre 1830 aufgeschüttet und als Friedhof eingerichtet, wodurch der hintere Teil des Kirchhofes entstand. Nach wenigen Jahren war aber auch dieser Teil schon wieder besetzt, weil doch fast sämtliche Ortschaften des Kirchspiels darauf beerdigten und nicht darauf geachtet wurde, daß die Särge dicht aneinander standen.

In den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts muß der Kirchhof überhaupt wüst ausgesehen haben. Der Zaun war verfallen, und Superintendent Ziegler schrieb an den damaligen Intendanten Krieger: „Ich kann es nicht länger mehr ansehen, daß der Kirchhof zum Tummelplatz der hier zahllos umherschwärmenden Schweine entweiht werde!“ (Damals muß es wohl üblich gewesen sein, daß die Schweine frei umherliefen.)

Es wurde nun ein Zaun gemacht. Er bestand teils aus Latten, teils aus Schwarten und Spaltricken und sah recht sonderbar aus. Im Jahre 1832 baute man einen hohen, sehr soliden Gartenzaun und im Jahre 1905 den noch jetzt bestehenden gußeisernen Zaun, der etwa 1000 Mark kostete. Nachdem der frischgeschüttete hintere Teil des Kirchhofes auch besetzt war, sollte der ganze Platz vier Fuß hoch neu gefüllt werden. Das unterblieb aber, da Superintendent Ziegler vermutete, daß dieses der Kirche schaden könnte. So wurde im Jahre 1840 wieder angefangen, auf dem vorderen Teil des Platzes reihenweise zu begraben. Da nun bald wiedergroßer Raummangel und die alten, recht grausigen Verhältnisse entstanden, gingen die einzelnen Ortschaften daran, sich eigene Kirchhöfe zu schaffen.

Im Jahre 1863 wurde mit vieler Mühe der Kirchhof in Warruß aufgeschüttet und am 28. Juli desselben Jahres eingeweiht. Zur selben Zeit etwa entstanden die Begräbnisplätze in den anderen Ortschaften um Ruß, die alle wegen der Hochwassergefahr erst aufgeschüttet werden mußten. Im Jahre 1869 wurde der alte Rußer Kirchhof an der Kirche geschlossen und der neue an der Straße nach Pokallna aufgefüllt.

Wer sollte nun der letzte auf dem alten und der erste auf dem neuen Kirchhof sein? Am 4. Oktober 1869 starb Theodor Alexander Paßker, kaum 30 Jahre alt, der Sohn des Spediteurs Eduard Paßker. Am selben Abend auch der 73jährige Johann Ludwig Jordan. Der junge Paßker wurde nun als letzter an der Kirche beerdigt, was von der Regierung durch eine Depesche erlaubt wurde, weil die Familie Paßker ein Erbbegräbnis hier hatte. Das Begräbnis des Jordan bildete dann zugleich die Einweihung des neuen Kirchhofes.
An der Kirche ist dann nur noch der Gutsbesitzer Franz Friedrich Froese aus Brionischken] am 9.Oktober 1872 mit besonderer Genehmigung der Regierung begraben worden, ebenso Pfarrer Krauß am 14. August 1895.

Der Kirchhof geriet nun, da alle Pflege dem neuen zugewandt war, bald wieder in Verfall. Um 1900 gibt Pfarrer Gregor folgendes Bild von ihm: „Welch ein Anblick am Gotteshause! Fast alle Gräber verfallen und von Gestrüpp überwuchert, die hölzernen Kreuze faulend, viele eiserne zerbrochen, alte zuviel schattende Bäume, verwildertes Gesträuch, darunter Schmutz und Unrat aller Art.“

Auf Anregung von Pfarrer Gregor wurde der uralte Kirchhof im Jahre 1904 mit vieler Mühe gereinigt, gelichtet, planiert und zu Anlagen umgeschaffen. Freilich gab es eine große Aufregung, als zahlreiche Gebeine und Schädel der Beerdigten zum Vorschein kamen. Das legte sich aber, als die Überreste alle in feierlicher Weise in einem neuen Sarg und in einem neuen Grabe beigesetzt wurden.

Es ist hier nun ein junger, sauberer, parkartiger Heldenhain geschaffen, der allerdings zum uralten Ruß nicht so recht passt. Der alte historische Kirchhof, sofern er einigermaßen zu erhalten gewesen wäre, hätte sicherlich einen besonderen Reiz ausgeübt und auch seinen hohen Wert als Denkmal der Vergangenheit behalten.[1]

  1. Der Grenzgarten, Beilage des Memeler Dampfboots, 3-6-1936

Schmiedemuseum Klaipeda/ Memel

Norman Baltrusch hat diese Grabplatte vom Russer Friedhof 2016 im Schmiedemuseum entdeckt, fotografiert und hier freundlicherweise zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt:

Alter Kirchhof

Wie im Artikel beschrieben wurde der Friedhof aufgegeben und die Toten zum großen Teil umgebettet. Der erste Eindruck, wenn man in Russ auf die Kirche zugeht, trügt also ungemein. Die Gedenktafeln und Ehrengräber an der Kirche sind in gutem Zustand.

Die Bilder wurden im Mai 2014 aufgenommen und von Peter Wallat zur Verfügung gestellt

"Neuer" Friedhof

Der im Artikel erwähnte neue Friedhof von Russ befindet sich leicht auffindbar an der Straße nach Pokallna. Er ist gepflegt und wird genutzt. Viele der Grabsteine sind litauisch gehalten, es gibt aber auch einige deutsche Ruhestätten.

Die Bilder wurden im Mai 2014 aufgenommen und von Peter Wallat zur Verfügung gestellt.

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