Vorwort des Herausgebers
Anfang des Jahres 2005 legte unsere Stiftung mit ihrem Band 39 »Genealogische Quellen
zur Stadt Leisnig in Sachsen« von Rüdiger Berthold vor. Der Band war bald vergriffen, da
er nicht nur für den in Leisnig tätigen Genealogen Quellen und Ableitungen bot, sondern
auch für Historiker und Heimatforscher interessant ist. Bereits in dieses Buch flossen die
großen Erfahrungen ein, die Berthold in Mittelsachsen sammelte und die ihn auf der Grundlage einer ungewöhnlich umfangreichen Quellensammlung befähigen, familiengeschichtliche Ableitungen vorzunehmen, die sich jüngeren Forschern erst nach Jahrzehnten eigener
Arbeit erschließen.
Diesen Überlegungen folgend hat Berthold unserer Stiftung nun die Manuskripte für zwei
weitere Bände angeboten, die wir gern in unser Verlagsprogramm aufnahmen und die das
Bisherige nicht schlechthin abrunden, sondern wesentlich erweitern. Dafür stellten ihm
andere Familienforscher, angeregt durch den erwähnten Band 39 unserer Schriftenreihe, weiteres Material zur Verfügung, so dass nunmehr für die Stadt Leisnig ein genealogisch interessanten Quellenmaterial angeboten werden kann, das jedem Familien- und Heimatforscher
die Arbeit enorm erleichtern wird.
Nun sind Regesten zu Urkunden nichts Ungewöhnliches. Zu ihrem Umfang äußert sich der
Autor in seinem eigenen Vorwort. Interessant ist die Erweiterung dieser Quellenlage durch
die Auszüge aus den Kirchenbüchern, soweit diese vorliegen: den Tauf-, Aufgebots- und
Totenbüchern. Sie ermöglichten es, genealogische Ableitungen vorzunehmen, die in dieser
gestrafften und belegbaren Form selten anzutreffen sind. Ergänzt wird dies durch eine detaillierte Darstellung der Vermögenslage; Berthold notiert für jedes Testament und für jede Erbteilung die vermachten Immobilien, Barbestände, Forderungen, Schulden usw. Die Landsteuerregister werden von ihm erneut ausgewertet, wie bereits in Band 39, und wo dort
bereits Feststellungen getroffen wurden, verweist er darauf.
Berthold gibt damit einen breiten sozialgeschichtlichen Hintergrund, verbunden mit der
jeweiligen Situation in der Familie, und ermöglicht so Aussagen auch zur sozialen Mobilität
und Stabilität. Dies erhöht den Wert der Arbeit und dürfte auch für Historiker, Ökonomen
und Soziologen interessant sein.
Der Leser mag sich bewusst sein, dass es sich bei den genealogischen Ableitungen häufig
genug um Deutungen handelt. Diese Einschränkung ist notwendig, weil sich der Verfasser
trotz seiner enormen regionalen Kenntnisse und genealogischen Erfahrungen an mancher
Stelle nicht völlig sicher war und Vermutungen äußerte. Dies ist vor allem dann der Fall,
wenn die Kirchenbucheintragungen widersprüchlich waren. Dem mit der mathematischen
Statistik Vertrauten wird dies nicht wundern, denn es gibt keine fehlerfreien Messungen,
auch nicht in der Bürokratie. Zu Recht verweist z.B. Weiss in einer seiner Arbeiten1 auf die
Untersuchungen von Wrigley und Schofielt 1981 in England, wonach in den englischen
Kirchenbüchern von 1705 bis 1750 etwa 1,5% aller Taufeintragungen, 2% aller Sterbeeintragungen und 4,5% aller Heiratseintragungen unterlassen worden waren; diese Zahlen
waren mit 4%, 5% bzw. 12% im 16. Jahrhundert sogar noch größer. Dabei sind Falscheinträge noch gar nicht eingerechnet, es handelt sich hier um unterlassene Eintragungen.
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Weiss, Volkmar: Bevölkerung und soziale Mobilität: Sachsen 1550–1880. Berlin: Akademie-Verlag 1993. S. 21
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