- Sie war über einundsiebzig Jahre
- Und mein Vater sechsundsiebzig alt,
- Als der Tod dem zärtlich treuen Paare
- Zurief sein gebieterisches „Halt!“
- Beide Tage auch und Stunden zählten
- Bis zu ihrem gold'nen Hochzeitstag;
- Sechsunddreißig Tage aber fehlten,
- Als mein Vater noch dem Tod erlag.
- Und zu Crainfeld lieget er begraben
- Auf dem Friedhof, den er eingeweiht;
- Meiner lieben Mutter aber gaben
- Hier wir auf dem Kirchhof das Geleit.
- Anno sieb'nundvierzig hab' gelitten
- Ich an chron'schem Rheumatismus sehr,
- Ehe meine Mutter auf mein Bitten
- Zog im Herbst von Crainfeld zu mir her.
- Ja, die Schmerzen, die ich in dem Rücken
- Damals öfters hatte auszustehn,
- Sind mit Worten gar nicht auszudrücken;
- Denn ich meinte oft, ich müßt' vergehn.
- Freilich hatte ich in frühern Jahren
- Reißen schon im rechten Arm gespürt;
- Da die Schmerzen unbedeutend waren,
- Hatten sie mich aber nicht genirt.
- Jetzo aber brachten meine Flüsse
- Einen Schmerz, der an im Rücken fing,
- Und es kamen manchmal Hexenschüsse,
- Daß das Athmen mir dabei verging.
- Dabei konnte ich mich weder bücken,
- Noch entkleiden, noch im Bette drehn;
- Es verbot mir selbst der Schmerz im Rücken,
- In das Bett und auch heraus zu gehn.
- Schwitzen, Schröpfen, Sympathie und Schmieren,
- Alle Mittel halfen mir nicht viel,
- Und das Uebel wollte sich verlieren
- Niemals wieder ganz mit Stumpf und Stiel.
- Deßhalb habe ich denn angehalten
- Auf so lang um einen Pfarrvicar,
- Bis das Amt ich wieder selbst verwalten
- Könne, das mir übertragen war.
- Da bereits ich über dreißig Jahre
- Selbst versehn die hiesige Pfarrei,
- Ward sie übertragen dem Vicare
- Sieb'nundfünfzig an dem zehnten Mai.
- Vier Vicare lernte schon ich kennen,
- Nämlich Krauß, Georgi, Schwan und Koch,
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- Um sie nach der Reihe herzunennen,
- Und den letztgenannten hab' ich noch.
- Aufgeblasen, unbescheiden, eckig
- War der erste dieser jungen Herrn,
- Auch von Bräutchen sprach er allzu geckig,
- Darum sah ich seinen Abzug gern.
- Doch der Zweite war nach meinem Herzen,
- War und bleibt mein lieber, guter Freund,
- Und wir haben beide fast vor Schmerzen,
- Als er abgerufen ward, geweint.
- Und der Dritte war der ärgste Mucker,
- Den die Unvernunft gebrütet aus,
- Deßhalb schaffte ich den armen Schlucker
- Von dem Halse mir und aus dem Haus.
- Trug der Vierte auch den Leutnantsdegen,
- Bin ich doch mit ihm zufrieden ganz,
- Da er seiner Glaubensrichtung wegen
- Nicht verdammet Spiel, Musik und Tanz.
- Seit ich hier ein Diener bin des Wortes,
- Habe ich mit Freuden auch gesehn
- Oft Verschönerungen dieses Ortes
- Innerhalb und außerhalb entstehn.
- So zum Beispiel ward die Heidenweide,
- Wo man Sonntags trieb die Ochsen hin,
- Umgepflügt, daß nun schon längst die Leute
- Da die schönsten, besten Früchte ziehn.
- Dazu hat mein Großpapa gegeben
- Erst dem Schultheiß Wagner guten Rath,
- Und durch diesen trat auch bald in's Leben,
- Was ihm jener angerathen hat.
- Anno neunundzwanzig fing so fleißig
- Man die Chaussee hier zu bauen an,
- Daß wir sie bereits im Jahre dreißig
- In dem Dillthal fix und fertig sahn.
- Diese trug zu unsers Dorfes Hebung
- Wesentlich und ganz besonders bei,
- Und man sahe auch, daß die Umgebung
- Dadurch freundlicher geworden sei.
- Aeußerst trist und ärmlich anzusehen
- War im Innern unser Gotteshaus;
- Nach der Besserung, die dran geschehen,
- Sieht es jetzo hell und würdig aus.
- Boden, Anstrich, Orgel, Bühnen, Stühle,
- Fenster und Altartuch wurden neu;
- Die Gemeinde ließ es im Gefühle
- Machen, daß es wirklich nöthig sei.
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