- Als ihr Todesjahr herangekommen,
- Haben deutlich in der Neujahrsnacht
- Meine Aeltern ein Geklirr vernommen,
- Wie es grade ward hervorgebracht,
- Wenn etwa einmal der Ofenwärter
- Ofenkrabben sammt dem Blasrohr hatt'
- In den Ofen hingestellet härter,
- Als es sonst gewöhnlich fande Statt.
- Dreimal nach einander wurde dieses
- Und mit solchem Nachdruck auch gethan,
- Daß es meinen Aeltern schien, als hieß' es:
- „Da, nun greife ich euch nicht mehr an!“ —
- Ehe ihre Krankheit angefangen,
- Hat sie an dieselbe nicht gedacht,
- War gesund noch in die Kirch' gegangen,
- Wurde aber krank herausgebracht.
- Und sobald sie meine Mutter sahe,
- Welche grad' geblieben war zu Haus,
- Rief sie, als sie ihr gekommen nahe:
- „Ach, wie ist mir! ach, wie ist mir!“ aus.
- Eben diese Worte hatt' gehöret
- Meine Mutter auch im Traum vorher
- Von ihr, darum haben sie gemehret
- Ihre Sorge um die Kranke sehr.
- Diese aber war seit jenem Tage,
- Da sie bald die Wassersucht bekam,
- Stets in einer leidensvollen Lage,
- Bis der Herr sie endlich zu sich nahm.
- In der Neujahrsnacht nun jenes Jahres,
- Wo der Pfarrer Schuchard sank ins Grab,
- Da vernahm mein Vater offenbares
- Wasserrauschen von der Trepp' herab;
- Hörte auch den Wassereimer fallen,
- Und ihn rollen durch des Hauses Flur,
- Bis derselbe noch mit lautem Schallen
- An der Hausthür' endlich widerfuhr.
- Eilig wollt' er nach dem Eimer gehn,
- Um ihn aus dem Weg zu stellen nur;
- Aber weder war von ihm zu sehen,
- Noch von Wasser irgend eine Spur. —
- Meine Mutter und die Dienstmagd lagen
- Wiederum in einer Neujahrsnacht,
- Während sie von solchen Dingen sprachen,
- Und auf eine Anzeig' gaben Acht;
- Als in ihrem Zimmer plötzlich störte
- Sie die Ofenthüre in der Ruh,
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- Welche jede mehrmals schlagen hörte
- Ganz vernehmlich auf und wieder zu.
- Alsobald die Magd dabei bemerkte:
- „Ach, das hat gewiß gegolten mir,“
- „Weil es“ — was sie noch darin bestärkte —
- „Ist gewesen meine Ofenthür'!“
- Während meine Mutter nicht vermochte
- Auszureden ihr, was sie gesagt,
- Es auch dreimal obendrein noch pochte
- An die Bettlad' der bestürzten Magd.
- Dieses war derselben so entsetzlich,
- Als dem Mörder, dem man bricht den Stab,
- Und in jenem Jahre sank auch plötzlich
- Ihr geliebter Bruder in das Grab. —
- Auch die Schrift hat mir vorhergezeiget
- Meiner beiden ersten Frauen Tod,
- Als die Krankheit jenen Grad erreichet,
- Der ihr theures Leben hat bedroht.
- Dreimal hab' ich da auf mein Befragen,
- Welches doch der Ausgang werde sein,
- Stets dieselbe Antwort aufgeschlagen
- Die sich findet Lucä zehn Vers neun. —
- Auch von meinem Vater kann ich schreiben,
- Daß er aufschlug in der Neujahrsnacht:
- „Du wirst sterben, nicht lebendig bleiben!“
- Wie Jesaias Hiskia gesagt.
- Eh der März desselben Jahrs zu Ende,
- Hat befohlen auch der edle Greis
- Seine Seele in des Vaters Hände,
- Dem er lang gelebt zu Ruhm und Preis.
- Anno sieb'nundvierzig ist's gewesen,
- Wo mein guter Vater heimwärts zog,
- Und noch Manches ist von ihm zu lesen
- In „der Deutschen neuem Nekrolog.“
- Als an seinem Bette er im Stillen
- Meine Mutter um ihn weinen sah,
- Sprach er: „Füge Dich in Gottes Willen;“
- „Meine Zeit ist ja nun einmal da!“
- „Ehe auch zwei Jahre noch vergehen,“
- „Werden wir — das sag' ich Dir voraus“ —
- „Selig schon uns droben wiedersehen“
- „In dem großen, schönen Vaterhaus!“
- Meine Mutter trug auch ohne Klage
- Ihres stillen Schmerzes schwere Wucht,
- Und sie starb am ersten Ostertage
- Nächsten Jahres an der Wassersucht.
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