- „Zu errathen, eh' ich's kund gethan!“
- „Nun, Sie wären gern zu Haus geblieben,“
- Sprach der Andre, „und in Ihrer Ruh',“
- „Hätte Sie nicht zu mir hergetrieben“
- „Heute Ihre krank geword'ne Kuh!“
- „Darf ich“ — sprach mein Großpapa — „auch
- fragen,“
- „Welche Kuh mir krank geworden ist?“
- „Denn da Ihr das Andre konntet sagen,“
- „Denke ich, daß Ihr auch dieses wißt!“
- „Ihre alte Bläße ist die Kranke,“
- „Die am nächsten stehet bei der Thür',“
- Sprach der Andere, „und ihr verdanke“
- „Ich es, daß Sie kamen her zu mir!“
- „Nein, gesund sind alle meine Kühe,“
- „Und ich habe keine Bläß' dabei;“
- „Darum gebt Euch weiter keine Mühe;“
- „Ich verlange keine Arzenei!“
- „Aber gerne gebe ich sechs Batzen“
- „Für die Nachricht, die Ihr mir ertheilt,“
- „Denn ich ließ zur Thorheit mich beschwatzen,“
- „Und von dieser habt Ihr mich geheilt!“
- Da mein Großpapa also gesprochen,
- Ging er wieder heim mit leerer Hand;
- Nach Verlauf indeß von wenig Wochen
- Meiner Mutter Uebel doch verschwand.
- Als sie eine junge Frau gewesen,
- Warf ein Aug' auf sie ein Officier,
- Der sich damals hatte auserlesen
- Meiner Aeltern Wohnung zum Quartier.
- Da er aber mündlich in die Schranken
- Jedes Mal von ihr gewiesen ward,
- Kam er nachher auch auf den Gedanken,
- Zu versuchen es auf andre Art.
- Er erkühnte sich, ihr zuzusenden
- Auf geheimem Weg ein Billet-doux;
- Doch sie stellte es mit treuen Händen
- Augenblicklich ihrem Gatten zu.
- „Höre, vor dem unverschämten Laffen“ —
- Sprach zu ihrem Gatten sie — „mußt Du“
- „Ein für alle Mal mir jetzt verschaffen“
- „Meine nur durch ihn gestörte Ruh!“
- Dieser sprach : „Ach, laß ihn doch nur schreiben!“
- „Denn so lang Du mir die Briefe zeigst,“
- „Wirst Du mir gewiß auch treu verbleiben;“
- „Drum ist es am besten, wenn Du schweigst!“
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- Und der Briefe, die sie zärtlich loben,
- Hat von Jenem sie bekommen mehr,
- Und dieselben werden aufgehoben
- Als Beweise ihrer Frauenehr.
- Dies Verhältniß hat der beiden Gatten
- Treue Liebe nicht nur nicht gestört,
- Sondern es hat jene, die sie hatten,
- Auch bewähret und zugleich vermehrt.
- Beide habe ich noch weinen sehen,
- Als sie's über siebenzig gebracht,
- Wenn sie, an des Andern Grab zu stehen,
- Sich als möglich haben nur gedacht. —
- Achtzehnhundertdreiundsechzig weihte
- Man auch ein die neue Eisenbahn.
- An dem 10. Januar mit Freude,
- Die uns westlich führet längs der Lahn. —
- Als der neunzehnte nunmehr erschiene
- Vierundsechzig in dem Januar,
- Meine liebe Tochter Wilhelmine
- Um halb vier Uhr Morgens mir gebar
- Ein geliebtes Enkelchen, dem Gatten
- War's das vierte Kind, der dritte Sohn,
- Doch der zweite, den sie vorher hatten,
- War im ersten Jahr gestorben schon.
- Drauf empfing im nächsten Monatslaufe
- An dem vierzehnten das Kindlein auch
- Von dem Oberpfarrer Förtsch die Taufe,
- Wie es ist bei Christen der Gebrauch.
- Pathen waren die zwei Gießer Tanten,
- Kaufmann Eckard, Kellner's Principal,
- Und mein Louis, doch die letzten standen
- Bei der Taufe nicht in unsrer Zahl.
- Karl und Heinrich Ludwig heißt der Kleine,
- Otto aber wird er stets genannt,
- Welcher Name ihm schon im Vereine
- Von dem Vater wurde zuerkannt.
- Ich, als Vicepathe, und die Tanten
- Hielten hübsch den Täufling bei dem Act,
- Und dann wünschten sämmtliche Verwandten
- Noch den Aeltern Glück mit feinem Tact.
- Drauf ging's an den Kaffee und den Kuchen,
- An den weißen und den rothen Wein,
- Und die Damen mußten auch versuchen
- Den Champagner, aber — ganz allein.
- Da wir gut gegessen und getrunken,
- Und sich alle Gäste wohl gefühlt,
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