- „Daß er wirklich nicht mehr kauscher ist!“
- „Ja, das konnnte ich mir vorher denken“
- „Von dem flatterhaften jungen Mann,“
- „Und ich will mich nicht mehr um ihn kränken,“
- „Denn er ist nun bei mir ausgethan!“
- „Auch erkenn' ich, daß das Eierschlagen“
- „Doch nicht immer ist ein leerer Tand,“
- „Weil Sie mir das Alles können sagen,“
- „Ohne daß Sie mich und ihn gekannt!“
- Also sprach das Bräutchen zu der Alten,
- Die ihm hatte eben so gesagt,
- Wie's mit seinem Liebsten sich verhalten,
- Welcher bald als Vater ward verklagt.
- Nun ward meiner Mutter und der Tante,
- Deren Mutter endlich stimmte bei,
- Weil sie darum bat die Anverwandte,
- Jeglicher geschlagen auch ein Ei.
- Und so wenig Jemand konnte hoffen,
- Was den Kindern wurde prophezeit,
- Ist es dennoch pünktlich eingetroffen
- Nach Verlauf von einer langer Zeit.
- Als der Mutter war ein Ei geschlagen,
- Sprach die Kurzin alsobald zu ihr:
- „Soviel kann ich Dir im Voraus sagen,“
- „Daß Du später ziehest weg von hier!“
- „Viele Stunden hast Du nicht zu gehen,“
- „Wenn Du gegen Morgen wanderst aus,“
- „Bis Du wirst die zweite Heimath sehen“
- „Und zugleich Dein großes, schönes Haus!“
- „Etliche Oeconomiegebäude,“
- „Die dazu gehören, stehn dabei,“
- „Aber doch nur auf der einen Seite,“
- „Auf der andern ist die Aussicht frei!“
- Wieder sprach die Frau nach kurzer Pause:
- „Doch Du bleibst auch nicht an diesem Ort,“
- „Sondern ziehst aus Deinem schönen Hause“
- „Nochmals gegen Morgen weiter fort!“
- „Einen Weg hast Du von gleicher Weite“
- „Nach dem neuen Orte hinzugehn;“
- „Aehnlich sind die übrigen Gebäude,“
- „Nur die Wohnung dort ist nicht so schön!“
- Nun kam auch die Reih' an meine Tante,
- Welche damals war ein Kind so klein,
- Daß sie nichts von allem dem verstande,
- Was die Kurzin mochte prophezein.
- Diese aber sprach zu den Personen,
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- Die auf ihre Worte hatten Acht:
- „Die kommt weiter noch von hier zu wohnen,“
- „Aber dorthinaus nach Mitternacht!“
- „Die Gebäude, die beim Hause stehen,“
- „Sind sowohl an Lage als an Zahl“
- „Wie ich bei der Schwester sie gesehen“
- „Zu dem ersten und dem zweiten Mal!“
- Meine Großmama begann zu spotten:
- „Ja, das ist so ganz nach meinem Sinn;“
- „Beide Töchter geb' ich weg aus Schotten,“
- „Daß im Alter ich verlassen bin!“
- Dennoch ist auch gegen ihr Verhoffen
- Bei den beiden Mädchen ganz genau
- Bis auf’s Kleinste Alles eingetroffen,
- Was gesagt ihr hatte jene Frau.
- Meine Mutter war am ersten Orte
- Achtzehn Jahre in dem schönen Haus,
- Als sie wieder nach der Kurzin Worte
- Ziehen mußte gegen Morgen aus.
- Einundvierzig Competenten hatten
- Zwar nach Crainfeld sich gemeldet schnell,
- Als sie sprach betrübt zu ihrem Gatten:
- „Du allein bekommest diese Stell'!“
- „Zwar geschieht es gegen meinen Willen,“
- „Doch dem Schicksal kann ich nicht entgehn;“
- „Auch das Letzte muß sich noch erfüllen,“
- „Was die Kurzin hat vorausgesehn!“
- So geschah's, nachdem schon längst gekommen
- Meine Tante gegen Mitternacht,
- Und es hat uns Wunder stets genommen,
- Wenn wir haben drüber nachgedacht.
- Mancher freilich gilt als Hexenmeister
- Oder Wunderdoctor in der Welt,
- Der aus purem Eigennutz mit dreister
- Stirne andre Leute bringt um's Geld.
- Meine Mutter hatt' als Braut bekommen
- Durch Erkältung ein verzerrt Gesicht,
- Und ihr Vater hat zuletzt genommen
- Seine Zuflucht zu 'nem solchen Wicht.
- Diesem brauche man — so ging die Sage —
- Nichts zu sagen von dem Patient,
- Da er, ohne daß er nach ihm frage,
- Dessen Krankheit doch erkennen könnt'.
- „Wie ich hörte, hättet Ihr die Gabe“ —
- Sprach mein Großpapa zum Charlatan —
- „Was ich eben auf dem Herzen habe,“
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