- So ward ich wohl gewarnet,
- Bevor das Mädchen kam;
- Doch war ich schon umgarnet,
- Eh' es noch Abschied nahm.
- Ich hab' fast nichts gesprochen;
- Sie wenig angeseh'n,
- Und hört' es in mir pochen,
- Als ich sie sahe geh'n.
- Nur einen Blick zu wagen
- In's große, dunkle Aug,
- Konnt' ich mir nicht versagen,
- Und — Puff! — da hatt' ich's auch.
- Die Grazien spielten alle
- Ihr schalkhaft um den Mund,
- Und lockten in die Falle
- Mich in der ersten Stund'.
- Wie strömte Geist und Laune
- Aus ihrem Rosenmund!
- Nichts brach sie von dem Zaune;
- Ein Wort wog auch ein Pfund.
- Und wie hieß dieses Mädchen,
- Das mir so mitgespielt,
- Und lange meinem Käthchen
- Bei mir die Wage hielt?
- Ihr Name „Wilhelmine“
- War mir schon lange werth,
- Doch seit Sie mir erschiene,
- Hab' ich ihn erst verehrt.
- „Aßlarer Minchen“ nannte
- Sie Jeder rings umher,
- Als ob im Ortsverbande
- Kein and'res Minchen wär'.
- Ihr Vater Bürgermeister
- War damals in dem Ort;
- Längst in dem Reich der Geister,
- Ehrt man noch heut sein Wort.
- „Emmelius“ war sein Name,
- „Von Schnellenberg“ zwar auch;
- Doch dieser letzt're kame
- Schon lange außer Brauch.
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- Die Mutter Philippine,
- Geborne Remy, war.
- Der beiden Aeltern Miene
- Stellt treu' ihr Bildniß dar.
- Auch Minchens Bildniß gleichet
- So ziemlich überall,
- Doch nicht das Wasser reichet
- Es dem Original!
- Weil sie in jenen Stunden,
- Wo sie dem Maler saß,
- Sich gar nicht wohl befunden,
- Ward auch ihr Bild so blaß.
- Die stattliche Brünette
- Von mittlerer Statur
- Glich niemals der Kokette,
- 'S war eine Kraftnatur.
- Die Lilienstirn umzogen
- Vom schön' lichtbraunen Haar'
- Und unter vollen Bogen
- Ein Sonnenaugenpaar.
- Ein Dutzend Amoretten
- Trieb drinnen lustig Spiel,
- Und jeder konnte wetten,
- Er treffe stets sein Ziel.
- Die Nase grad' und zierlich
- Wies nach dem frischen Mund,
- Da quoll der Witz natürlich,
- Der Jugendscherz gesund.
- Bei Oeffnung dieser Quelle
- Erglänzt' in vollen Reih'n
- Hinter der Rosenschwelle
- Der Zähne Elfenbein.
- So oft sie wollte necken,
- Zuckt' froher Uebermuth
- In ihres Mundes Ecken;
- Das stand ihr gar zu gut!
- Die Alabasterwangen,
- Mit Schamroth sanft durchglüht,
- Entzündeten Verlangen,
- In sterbendem Geblüt.
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