- Der Greis durchwacht mit ergebenem Sinn
- Im Hause des Herrn düstere Stunden.
- Am Morgen sah er vom „Kapellen“ hin;
- Ach, Osterwisch war schon verschwunden!
- Wohl blickte die Sonne so freundlich, mild;
- Wohl strahlte sie auf das Christusbild
- der kleinen, geheiligten Zelle:
- Nur Osterwisch schien die Sonne nicht mehr,
- Verschlungen hat es das wilde Meer,
- Beklaget vom Greis bei der Kapelle.
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- Bei niedrigem Wasser seht ihr am Strand
- Von Osterwisch Ruinen noch stehen,
- Ihr könnt auf dem Hügel, wo's Kirchlein stand
- Auch mancherlei Steine noch sehen.
- So sinket hin, was groß und was klein,
- Nur eines bleibet, muß ewig sein:
- Die Liebe im Busen, die reißt heraus
- Auch nicht des Sturmes Saus und Gebraus;
- Mit dem Glauben im Herzen reise ich
- Vom Finstern der Erd' ins himmlische Licht.
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- Es brüllt der Orkan, der rauhe Nordost,
- Er schüttelt die kahlen Bäume erboßt.
- Schon dringet die schäumende Flut herein; –
- „Es wolle der Himmel uns gnädig sein.“
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- Schon wankt das Gemäuer, ringsum bespült;
- Schon löset das Dach sich, vom Sturm durchwühlt.
- Ein heulender Windstoß – die Thür bricht ein –
- Die brausende Flut dringt ins Kämmerlein.
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- Sanft schlummert im einsamen Kämmerlein
- Das einzige Kindchen, ein Knäbelein,
- Die Hände gefaltet wie zum Gebet;
- Ein Engel ihm schützend zur Seite steht.
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- „Auf, folgt mir, noch Rettung wohl möglich ist!
- Zum Holen der Habe bleibt keine Frist.“
- Dem Hausvater folgt die bebende Schar
- Die letzte Zuflucht: der Boden noch war.
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- Zum Kämmerlein eilt der Vater geschwind.
- „Wache auf, mein Knäblein, mein liebes Kind!
- Bitte Gott, daß er uns gnädig verschon';
- Sonst sind wir verloren! wach auf, mein Sohn!“
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- Was rettest du Hausfrau? Was birgt dein Schoß?
- Die silbernen Ketten? das goldene Schloß?
- Die Feierkleider? den Brautschmuck? –
- O nein! Es ist ihr Liebling, ihr Knäbelein.
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- Aus süßem Schlaf fuhr das Söhnlein hervor,
- Streckt zum Gebete die Händchen empor.
- „O Herr,“ sprach es voll Zuversicht,
- „Himmlischer Vater, verlasse uns nicht!“
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- Was holtest du, Hausherr, vom Tische dort?
- Sein wichtigster Schatz ist's: das Gotteswort!
- Und Peter, der Knecht, ist's, der mit der Magd
- Die Rettung des prächtigen Hengstes wagt.
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- Draußen, da tobt es, es heulet und kracht;
- Leuchtende Blitze durchzucken die Nacht.
- Dumpf rollet der Donner, das Fenster klirrt
- Vom heulenden Sturm, der vorüberschwirrt.
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- Waten zum Stalle, mit Tauen versehn,
- Der Hengst wird – wo wär' wohl so 'was geschehn –
- Gelöset und dann mit vereinter Macht
- Glücklich hinauf auf den Boden gebracht.
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- Und herein stürzt, einem Gespenste gleich,
- Die teure Gattin, verstöret und bleich.
- Zitternd folgt ihr das bange Gesind' –
- „Herr, sei uns gnädig! – wie rett' ich mein Kind?“
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- Indessen kommt hoch her und höher die Flut,
- Es sinket zuletzt dem Häuflein der Mut,
- Der Knabe nur immer noch tröstend spricht:
- „Der himmlische Vater verläßt uns nicht!“
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- Sie hält es umklammert, sie stiert es an:
- „Ist keiner, ach keiner, der helfen kann?
- Schon höre ich schlagen der Wellen Schlag,
- Sagt, wo meinen Knaben ich bergen mag?!“
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- Das Haus, des schirmenden Daches beraubt,
- Den Bäumen gleicht, welche der Herbst entlaubt.
- Der Einsturz drohet und neue Gefahr
- Breitet sich über die schreiende Schar.
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- Und draußen brüllen mit kläglichem Schall
- Aengstlich die Kühe im naßkalten Stall.
- Laut wiehernd stampfet das mutige Roß,
- Reißt von der nährenden Krippe sich los.
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- Es knarrt das Gebälke, schon wiegen sich
- Im Sturm die Balken gar fürchterlich.
- Regen und Hagel schlägt nieder ins Haus!
- Ach, dauert denn ewig die Nacht voll Graus?
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