- Und es könnte ja auch schwach Dir werden,
- Da Du eben schon so sehr erbleichst,
- Darum nimm mich lieber zum Gefährten,
- Bis Du Deine Mutter erst erreichst!
- Seine Mutter war zwar eine kleine,
- Aber durch und durch gescheidte Frau,
- Als wir nun erzählten im Vereine
- Ihr die Sach' von Anfang und genau,
- Daß wir nur als Führer uns bekämpfet,
- Und ich nicht den Hieb mit Fleiß gethan,
- War ihr Zorn in der Geburt gedämpfet,
- Und sie sah mich freundlich wieder an.
- Doch es diente dieser Fall zur Lehre
- Uns, den Führern, für die Folgezeit;
- Denn es schlossen Frieden beide Heere,
- Und es kam nicht mehr zum off'nen Streit.
- Aber jünger war ich noch an Jahren,
- Als ein Bauer mit dem Wagen mir
- Ueber beide Beine ist gefahren,
- Da ich eben saß vor seiner Thür'.
- Meine Beine hatt' ich mit Vergnügen
- Grade in den Fahrweg ausgestreckt,
- Und ich ließ sie da auch ruhig liegen,
- Weil ich nicht den Wagen hatt' entdeckt.
- Leise fuhr derselbe, und ich machte
- Eben eine Weidenpfeife mir;
- In Gedanken tief versunken dachte
- Ich an weiter gar nichts, außer ihr.
- Darum hatte ich nicht wahrgenommen,
- Daß der Nachbar, Gebhard's Nicolaus,
- Mit dem Wagen war herangekommen;
- Denn mein Pfeifchen war ja noch nicht aus.
- Leider hatte ich nicht ehr gesehen
- Diese, mich bedrohende Gefahr,
- Bis derselben annoch zu entgehen,
- Ich durchaus nicht mehr im Stande war.
- Und so ging denn über meine Beine
- Erst das Vorder-, dann das Hinterrad,
- Und bis zu dem heut'gen Tage meine
- Ich, ich wisse noch, wie weh es that.
- Meine Mutter, die mich schreien hörte,
- Kam gelaufen, um nach mir zu sehn,
- Und ich konnte, als sie dies begehrte,
- Noch allein auf meinen Füßen stehn.
- Dann erst trug sie mich auf beiden Armen
- Und zum Tod erschrocken schnell nach Haus;
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- Dorten zog sie, seufzend vor Erbarmen,
- Mir geschwind die Schuh' und Strümpfe aus.
- Von den Knieen an war losgerissen
- Haut und Fleisch, und beides abgestreift,
- Daß es unten hing auf meinen Füßen,
- Wo es schlotternd hatte sich gehäuft.
- Meine Mutter zog wie Strümpfe wieder
- Meinen Beinen ihre Häute an,
- Daß die eben noch geschundnen Glieder
- Hurtig waren damit angethan.
- Warmen Wein und Kräutersäckchen sollte
- Nun mein Bruder halten in der Hand,
- Weil die Mutter beides nehmen wollte,
- Während sie die Beine mir verband.
- Da er aber Blut nicht konnte sehen,
- Wurde durch den Anblick er so schwach,
- Daß er nicht mehr länger konnte stehen,
- Und in Ohnmacht schnell zusammen brach.
- „Halt' dich, Kleiner! denn vor allen Dingen,“
- Sprach die Mutter jetzo zu mir sacht,
- „Muß ich dem da erst zu Hülfe springen,“
- „Bis er aus der Ohnmacht ist erwacht!“
- Kaum war seine Schwäche überwunden,
- Ist zu mir sie wieder hingeeilt,
- Und da sie mich hatte recht verbunden,
- Waren meine Beine bald geheilt.
- Einen neuen Schrecken jagten wieder
- Nachher wir den lieben Aeltern ein,
- Als von Busenborn aus wir Gebrüder
- Ohne sie besuchten den Bilstein.
- Diese schroffe Felsenkuppe raget
- Majestätisch weithin über's Thal,
- Und kein Wunder, daß sie dem behaget,
- Der sie sieht zum allerersten Mal.
- Unsrer Neugier wollt' es nicht genügen,
- Solche durch ein Perspectiv zu sehn,
- Und die Aeltern ließen mit Vergnügen
- Uns voraus und auf dieselben gehn.
- Wenn ihr dort die Aussicht gern genießet,
- Sprachen sie, so gehet schnell voraus,
- Daß ihr dann euch wieder an uns schließet,
- Und mit uns zusammen geht nach Haus!
- Während wir nun auf den Felsen sprangen
- Auf- und abwärts sonder Ruh' und Rast,
- Waren sie im Thal vorbei gegangen,
- Und wir hatten gänzlich sie verpaßt.
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