- Und wir saßen auf den Felsenzinken,
- Spähend noch, als es schon finster war.
- Bis wir sahn des Dorfes Lichter blinken,
- Und des Himmels Sterne hell und klar.
- Da gedachten wir, daß doch so lange
- Unsre Aeltern nicht geblieben sei'n,
- Und da ward es mir ein wenig bange,
- Weil ich nicht den Heimweg wußt' allein.
- Deßhalb wollte mich mein Bruder necken,
- Und fing scheinbar an, sich auszuziehn;
- Warf sein Röckchen, nur um mich zu schrecken,
- Mit den Worten auf die Erde hin:
- „Da wir doch nicht mehr nach Hause kommen,“
- „Schlafe heut ich hier auf diesem Platz!“
- „Nun, so lasse Dir es wohl bekommen,“
- Sprach ich „und ich geh' zum Pfarrer Kratz!“
- Also sprechend wandt ich meine Schritte
- Nach dem Busenbörner Pfarrhaus hin,
- Und auch gegen meines Bruders Bitte
- Blieb ich bei dem ausgesprochnen Sinn.
- Als die Pfarrleut' an dem Tische saßen,
- Traten wieder wir in ihre Stub';
- Dickmilch und Kartoffeln wir auch aßen
- Gleich mit ihnen für die Abendsupp'.
- Drauf dieselben einen Boten sandten
- Unsern Aeltern eiligst in der Nacht
- Mit der Nachricht, wo wir uns befanden,
- Und daß sie zu Bette uns gebracht.
- Als die Aeltern nun nach Hause kamen,
- Frugen sie: „Sind denn die Buben da?“
- Weil sie drauf ein staunend „Nein“ vernahmen,
- Ging es ihnen augenblicklich nah'.
- „Ach, wie werden sich die armen Jungen“
- „Aengsten jetzo in dem dunklen Wald!“
- „Haben sie marode sich gesprungen,“
- „Finden doch sie nirgends Unterhalt!“
- „Schleunigst müssen wir nach ihnen streifen,“
- „Noch bevor sie von dem rechten Pfad“
- „In der Irre weiter abwärts schweifen;“
- „Darum flugs hinaus auf frischer That!“
- In dem nächsten Augenblick entfernen
- Unsre Aeltern und der Schulvicar
- Groh sich nach dem Wald mit drei Laternen,
- Aufzusuchen das verlorne Paar.
- Durch des Hillerswaldes Buchenhallen
- Ließen oft und laut die Namen sie
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- Theodor und Christian erschallen,
- Eine Antwort aber folgte nie.
- Manchmal blies der Vater auf der Flöte,
- Um zu sehn, ob dieses Instrument
- Etwa weiterhin noch Wirkung thäte,
- Als die Menschenstimme reichen könnt'.
- Endlich sehen Alle in der Ferne,
- Grade auf dem Busenbörner Pfad,
- Daß sich ihnen Jemand mit Laterne
- Und mit ziemlich schnellen Schritten naht.
- Denkend nun, das könnten uns're Kinder
- Oder auch ein Bote an uns sein,
- Lenkte unser Vater noch geschwinder
- Auf den fremden Leuchtenträger ein.
- Doch als dieser Letzte deutlich siehet,
- Daß ihn Jemand rasch ereilen will,
- Stutzt er eine Weile, nachher fliehet
- Er und steht auch auf kein Rufen still.
- Da der Vater aber wissen wollte,
- Wer der Unbekannte möge sein,
- Lief er schneller auf ihn zu und holte
- Bald den athemlosen Flüchtling ein.
- Kaum hat dieser etwas sich gesammelt,
- Als erschrocken und mit großer Müh'
- Zu dem Vater er die Worte stammelt:
- „Ach, Herr Pfarrer! ach das waren Sie!“
- Dieser sprach: „Was hat Sie nur bewogen,“
- „Lieber, alter Kirchensenior,“
- „Daß Sie so vor mir sind ausgezogen?“
- „Dieses kommt mir wie ein Räthsel vor!“
- „Ach, ich muß mich zwar vor Ihnen schämen,“
- „Wenn ich Ihnen dieses Räthsel lös;“
- „Doch Sie dürfen mir's nicht übel nehmen,“
- „Denn ich meinte es dabei nicht bös!“
- „Diesen Ort sucht Jeder zu vermeiden,“
- „Und bei Nacht geht Niemand gerne her,“
- „Weil es heißt, daß es seit alten Zeiten“
- „Hier zur Nachtzeit nicht geheuer wär'.“
- „Und auf dieser Stelle soll auch gehen“
- „Oft bei Nacht ein schwarzer Leuchtemann,“
- „Was so Mancher, der ihn hat gesehen,“
- „Ihnen für gewiß bezeugen kann.“
- „Als Sie darum vorhin mir erschienen,“
- „Hat die Angst sogleich mich übermannt,“
- „Daß ich statt des Leuchtemann's vor Ihnen“
- „Augenblicklich bin davon gerannt.“
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