- „Doch ist's gut, daß hier ich Sie gefunden,“
- „Denn ich sollte Ihnen kund nur thun,“
- „Daß bei unserm Pfarrer seit zwei Stunden“
- „Ihre Söhne sanft im Bette ruh'n.“
- „Sein Sie ihretwegen außer Sorgen,“
- „Ihren Söhnen ist kein Leid geschehn,“
- „Und Sie werden beide wieder morgen“
- „Munter und gesund zu Hause sehn!“
- Dankend und mit leichtem Herzen kehrten
- Unsre Aeltern nun zurück mit Groh;
- Denn die Nachricht, die sie von uns hörten,
- Machte sie auf einmal wieder froh.
- So war doch der Streifzug nicht vergebens,
- Den sie machten in derselben Nacht,
- Und sie war die erste meines Lebens,
- Welche ich bei Fremden zugebracht.
- Früher sollte zwar in Eichelsachsen
- Ich einmal bei meinem Freunde Geist,
- Der in Burkhards mit mir aufgewachsen,
- Uebernachten, als wir hingereist;
- Meine Aeltern waren es zufrieden,
- Und ich gab dem Freunde auch mein Wort;
- Als indessen meine Aeltern schieden,
- Lief ich dennoch meinem Freunde fort.
- Weinend bat mich dieser und beweglich,
- Nur zu bleiben eine einz'ge Nacht,
- „Ach das Heimweh,“ rief ich, „macht's unmöglich,“
- „Daß ich halte, was ich zugesagt!“ —
- Ein französ'scher Officier gab Stunden
- Mir und meinem Bruder kurze Zeit;
- Das Französ'sche wollte uns nicht munden,
- Darum kamen wir auch gar nicht weit.
- Hatten wir die Wörter gut gelernet,
- Gab er Zuckerplätzchen uns zum Lohn;
- Konnten wir sie aber nicht entfernet,
- Steckte er uns beide in Prison.
- Doch des Pfarrers Schuchard schöne Töchter,
- Welche wohnten bei uns in dem Haus,
- Ließen, ehe sich's versah der Wächter,
- Uns aus der Gefangenschaft heraus.
- Daß sie dieses nun nicht wieder könnten
- Dachte einmal klüger er zu sein,
- Zog den Schlüssel ab mit eignen Händen,
- Steckte ihn in seine Tasche ein,
- Ging zu unsrer Mutter und erzählte:
- Jetzo sitzen sie mir aber fest;
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- Denn er meinte, weil der Schlüssel fehlte,
- Kämen wir auch nicht aus dem Arrest.
- Doch wir waren beide flinke Jungen;
- Aus dem zweiten Stocke waren wir
- Durch das Fenster schnell hinabgesprungen.
- Und erschienen eben an der Thür',
- Als er uns'rer lieben Mutter sagte,
- Daß die Flucht uns jetzt unmöglich sei;
- Diese aber rief, indem sie lachte:
- „Ei, da sind sie ja schon alle zwei!“
- Staunend sah er, daß wir echappiret
- Waren doch aus der Gefangenschaft,
- Und er hat es später nicht probiret,
- Wieder uns zu halten in der Haft.
- Bis zum Jahre achtzehnhundertsieben
- Wohnten Pfarrer Schuchard noch im Haus,
- Und so lange kamen meine lieben
- Aeltern mit der halben Pfründe aus.
- Sechszehn Jahre lang lag krumm gezogen
- Schuchard von der Gicht in seinem Bett,
- Und das Kinn bis zu dem Knie gebogen,
- Kam er nie von seiner Lagerstätt'.
- Eßlust hatte er wie ein Gesunder,
- Ward jedoch gefüttert wie ein Kind.
- Seine Gattin war besorgt und munter
- Und im Unglück engelgleich gesinnt.
- Nicht genug, daß sie der Welt entsagen
- Mußte bei dem krüppelhaften Mann,
- Nein, sie ließ sogar sich von ihm schlagen,
- Was man kaum für möglich halten kann.
- Noch unglaublicher, daß sie das Stöckchen,
- Womit er die treue Gattin schlug,
- Weil er sich nicht rühren konnt' vom Fleckchen,
- Selbst geduldig ihm an's Bette trug!
- Als ob sie nicht schon genug geschlagen
- Wäre mit dem Mann, der nie gesund,
- Konnt' er noch mit Eifersucht sie plagen,
- Ohne, daß er dazu hatte Grund.
- Damals war ich noch ein kleiner Knabe,
- Noch in meinem vierten Lebensjahr,
- Und wie ich die Frau geliebet habe,
- Ward mir erst bei ihrem Abschied klar.
- Denn ihr Minchen war mein erstes Schätzchen,
- Das ich für mein Leben gerne sah,
- Und wenn sie mir gab ein süßes Schmätzchen,
- Oh, wie überglücklich war ich da!
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