- Schon besang in einem andern Liede
- Ich die holde Jungfrau seiner Zeit,
- Und es that mir, als sie von uns schiede,
- Wahrlich auch von ganzer Seele leid.
- Doch als ihre Mutter nach der Chaise
- Ging, um zu verlassen unser Haus,
- Da erst brach mein Schmerz mit Riesengröße
- In verzweiflungsvolles Weinen aus.
- Alle steckt' ich an mit meinen Schmerzen,
- Alle weinten laut am Chaisenschlag,
- Wo ich krampfhaft schluchzend an dem Herzen
- Meiner lieben „Drobenmutter“ lag.
- Nichts vermochte mich von ihr zu trennen.
- „Nein“, rief ich, „Du darfst nicht fort von hier!“
- „Und wenn Du nicht solltest bleiben können,“
- „Ach, so nimm mich lieber auch mit Dir!“
- „Nun, so setz' Dich zu mir in den Wagen,“
- Sprach sie, „und begleite mich ein Stück;“
- „Wenn ich dann Dir Lebewohl muß sagen,“
- „Kehrst zu Deinen Aeltern Du zurück!“
- Als wir in den Wagen eingestiegen,
- Nahm gerührt sie mich auf ihren Schooß,
- Und als sie begann mich sanft zu wiegen,
- Fuhr der Kutscher auch sogleich drauf los.
- Jetzo fing sie zärtlich an zu bitten,
- Daß ich vor dem Dorf zurückekehr,
- Weil sonst meine Aeltern zu viel litten,
- Wenn sie hätten keinen Christian mehr.
- Und wir könnten uns ja wiedersehen,
- Wenn sie selbst den Weg nach Burkhards nähm',
- Oder wenn ich mit der Mutter gehen
- Könnte, und zu ihr nach Grünberg käm'.
- Endlich küßte sie mich unter Thränen,
- Und der Kutscher hob mich übern Schlag;
- Mit verweinten Augen und mit Stöhnen
- Sah ich stehend ihrem Wagen nach.
- „Gott, der Du sie hast hinweggenommen,“
- Rief ich aus mit thränenschwerem Blick,
- „Laß die Drobenmutter wiederkommen!“
- „Führe sie recht bald zu uns zurück!“
- Drobenmutter hab' ich sie geheißen,
- Weil sie oben in dem Hause war,
- Und sich immer suchte zu erweißen
- Gegen mich als Mutter ganz und gar.
- Einmal habe ich nur noch gesehen
- Diese heiß von mir geliebte Frau,
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- Als im achten Jahr ich konnte gehen
- Mit der Mutter auf die Rabenau.
- Als wir da nach Grünberg sind gekommen,
- Blieben wir, wie wir es ausgemacht
- Und uns Jahre lang schon vorgenommen,
- Bei der Drobenmutter über Nacht.
- Von der Reise war ich sehr ermüdet,
- Und mit Schmutz bis an das Knie beklebt;
- Doch die Wirthin hat es mir vergütet,
- Und ihr Anblick bald mich neu belebt.
- Anfangs kannte sie mich zwar nicht wieder;
- Als sie aber hörte, daß ich's sei,
- Ließ sie auf ein Knie sich vor mir nieder,
- Und that einen lauten Freudenschrei.
- Hob', was auch die Mutter ein mocht' wenden,
- Mit dem Schmutz mich schwebend in die Höh';
- Trug mich sanft auf treuen Mutterhänden
- Hin zu ihrem schönen Canapé;
- Stellte einen weichen Stuhl daneben;
- Legte meine Füße ungeputzt
- Auf denselben, ohne drauf zu geben,
- Daß er von denselben ward beschmutzt.
- Kurz, sie wußt' ihr inniges Entzücken,
- Daß sie mich nach Jahren wiedersah,
- Nicht genug und völlig auszudrücken,
- Weil wir eine Nacht nur blieben da.
- An dem nächsten Morgen, als wir schieden,
- Hab' ich sie zum letzten Mal gesehn;
- Denn sie sollte bald zum Himmelsfrieden
- Aus dem Zeitlichen hinübergehn.
- Ihre schöne Tochter Wilhelmine
- Gab statt ihrer uns noch das Geleit,
- Und auch sie — wer hätt's gedacht — erschiene
- Nie mir wieder in der Folgezeit.
- Damals blühte sie wie eine Rose,
- Die das Aug' entzückt durch ihre Pracht;
- Nunmehr ruht sie längst schon unterm Moose
- In der ungestörten Grabesnacht.
- Welche Kraft in schönen Mädchen lieget,
- Kann aus ihrem Beispiel man ersehn;
- Denn sie hat den Landesherrn besieget,
- Daß er Gnade ließ für Recht ergehn.
- Als ihr Bruder nämlich relegiret
- Von der Landesuniversität,
- Wurden, daß er werde recipiret,
- Die Behörden mehrmals angefleht;
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