- Zögernd sah er nochmals nach der Flinte,
- Sich bedenkend, was zu machen wär';
- Endlich ging er sinnend, nicht geschwinde
- Eine kurze Strecke vor uns her;
- Plötzlich wandt er ab sich von dem Pfade,
- Und indem ihm folgte unser Blick,
- Kehrte er nun dahin wieder grade,
- Wo er hergekommen war, zurück.
- Darum mußten wir auch sicher glauben,
- Was er eben dadurch zeigte klar,
- Daß er uns nur, um uns zu berauben,
- In dem Walde nachgelaufen war.
- Nun begannen beide wir zu scherzen
- Ueber unsern jungen Heldenmuth,
- Und wir waren froh zugleich von Herzen,
- Daß er nicht vergossen Menschenblut.
- „Hätte Dir der große, starke Lümmel,“
- „Auf den Kopf gethan den ersten Schlag,“
- „Wären jetzt wir beide schon im Himmel,“
- Ich im ernsten Scherz zum Bruder sprach.
- „Ja, hätt' nicht gehalten ihn im Zügel“
- „Hier vor meinem Flintchen der Respect,“
- „Hätt' er mich,“ sprach jener, „mit dem Prügel“
- „Gern in Einem Schlage hingestreckt.“
- „Und ich glaube, da es vorher schneite,“
- „Gar nicht, daß das kleine Mordgewehr,“
- „Wenn's gekommen wär' zum ernsten Streite,“
- „Auf den Schurken losgegangen wär'.“
- Und so gab der Vorfall einem Jeden
- Stoff zur Unterhaltung für den Tag,
- Daß wir immer davon konnten reden,
- Bis des Abends Schatten vor uns lag.
- Weil bis dahin wir schon sieben Stunden
- An dem kurzen Wintertag gemacht,
- Und die Lust zum Gehen mir entschwunden.
- Wollte da ich bleiben über Nacht.
- Doch mein Bruder war nicht zu bewegen,
- Auch zu bleiben an demselben Ort,
- Und um sechs Uhr Abends ging deßwegen
- Ich ermüdet mit ihm weiter fort.
- Langsam ging ich bis an jenen Hügel,
- Der vor Eschenrod steigt in die Höh',
- Dort ließ aber hängen ich die Flügel
- Da ich kam bis über's Knie in Schnee.
- Darum sagte ich zu dem Begleiter:
- „Halte ein, o Mensch, in Deinem Lauf!“
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- „Ohne auszuruh'n kann ich nicht weiter“
- „Durch den tiefen Schnee den Berg hinauf!“
- „Nein, Du darfst hier in dem Schnee nicht sitzen;“
- „Bist Du aber wirklich so erschlafft,“
- „Will ich“, sprach er, „gern Dich unterstützen,“
- „Bis Dir droben wieder kommt die Kraft!“
- Als wir auf dem Berge angekommen,
- Wo er Arm in Arm mich hingeführt,
- Hatten meine Kräfte zugenommen,
- Daß ich wieder bin allein marschirt.
- Da ich endlich nach dem langen Leide
- Meine Mutter wiedersah zu Haus,
- Brach an ihrem Halse ich vor Freude
- Und auch sie in lautes Weinen aus.
- Und sobald der Vater heim gekommen,
- Der zum Förster ausgegangen war,
- Und die Aeltern nun von uns vernommen,
- Wie geschwebt wir hätten in Gefahr,
- Sprachen sie: „Wir haben es bereuet,“
- „Daß wir hatten weg euch lassen gehn;“
- „Desto mehr sich unser Herz nun freuet,“
- „Wohlbehalten wieder euch zu sehn!“
- Ward auf jener Reise ich marode,
- Ziehe daraus Niemand doch den Schluß,
- Daß dies sei bei mir gewesen Mode;
- Denn ich war vorzüglich gut zu Fuß.
- Wenn wir wollten in die Wette laufen,
- Lief ich allen andern Knaben vor,
- Keiner kam mir aus dem ganzen Haufen
- Gleich, als nur mein Bruder Theodor.
- Auf dem Kopfe konnt' ich nicht nur stehen,
- Sondern schlug auch meisterlich ein Rad,
- Und auf beiden Händen konnt' ich gehen,
- Daß mir Keiner darin gleich es that.
- Manchen hohen Baum hab' ich erklommen,
- Der so schwierig zu ersteigen war,
- Daß hinauf kein Andrer konnte kommen,
- Wenn er auch nicht scheute die Gefahr.
- Selbst den Kirchthurm habe ich befahren
- So wie es die Schieferdecker thun,
- Als vom Flaschenzuge diese waren
- Weggegangen, um sich auszuruhn.
- Die Gymnastik machte mir Vergnügen,
- Und ich hab' an's Turnen mich gemacht.
- Dem ich fleißig pflegte obzuliegen,
- Daß ich's ziemlich weit darin gebracht.
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