- In der Scheuer hatt' ich fest geschlungen
- Oben mir das Rollseil am Gerüst,
- Darauf hab' ich mich herumgeschwungen,
- Und Gesellschaft nicht dabei vermißt,
- Von der Tennwand sprang mit einem Satze
- Ich bis an das Seil, das senkrecht hing,
- Welches ich, so flink wie eine Katze,
- Jedesmal mit sich'rem Griffe fing.
- Darauf lief ich mit den beiden Händen
- An dem Seile hurtig auf und ab,
- Ohne meine Beine anzuwenden,
- Oder daß ich Hülfe damit gab.
- Als ich einst die Rolle aus der Latte
- Heben wollte, und die Kraft dazu
- Lange noch nicht in dem Arme hatte,
- Stürzte von der Leiter ich im Nu.
- In dem Fallen griff ich nach dem Seile,
- Und erwischt's auf einer Seite nur,
- Daß mit ihm ich wie mit einem Pfeile
- Augenblicklich in die Tiefe fuhr.
- Unten fiel ich auf des Seiles Schlinge,
- Daß zusammen schlugen Kopf und Füß';
- Weil sie aber mitten mich umfinge,
- Sie mich nicht zu Boden fallen ließ.
- Hätt' das Seil bis auf die Erd' gehangen,
- Hätte ich gebrochen Hals und Bein;
- Da es aber schwebend mich umfangen,
- Ward es meine Retterin allein.
- Unsrer Magd, die Zeter schreien wollte,
- Als sie meinen Fall mitangesehn,
- Sagte gleich ich, daß sie schweigen sollte,
- Denn es sei mir gar kein Leid geschehn.
- Doch ich habe auch in frühern Jahren,
- Ja sogar zuweilen schon als Kind
- Ausgestanden mancherlei Gefahren,
- Die mir noch in dem Gedächtniß sind.
- Als mein Bruder nämlich einmal bliese
- Eine Feder in die Luft vor mir,
- Ich mich durch dieselbe schrecken ließe,
- Grad als wäre sie ein reißend Thier.
- Nein, ich werde nimmermehr vergessen,
- Wie er, mich zu schrecken, zu mir sprach:
- „Ach, das ist der Wolf, der will Dich fressen!“
- Und die Angst, in der ich schrie hernach.
- Meiner Großmama, die ängstlich fragte,
- Warum ich denn so entsetzlich schrie,
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- Ich, so gut ich's damals konnte, sagte:
- „Ach, der Wof, der Wof!“ — da lachte sie.
- Als mein Bruder einst mit einem Stabe
- Zielte nach dem Centrum an der Thür',
- Und ich mich zu nah' befunden habe,
- Warf er gerade auf ein Auge mir.
- Aus dem Lide, welches stark verwundet,
- Mir im Augenblick das Blut entquoll,
- Und der Schaden war noch nicht erkundet,
- Als das Auge dick schon zu mir schwoll.
- Erst nachher, als die Geschwulst verschwunden.
- Und man mir in's Auge sahe klar,
- Haben Alle große Freud' empfunden,
- Daß das Innere gesund noch war.
- Da die Schmerzen waren überstanden,
- Freute ich mich selber in der Seel',
- Weil nun keine Furcht mehr war vorhanden,
- Daß ich für die Zukunft werde scheel.
- Später schlug mit einer Schäferschippe,
- Die der Großpapa ihm mitgebracht,
- Auch mein Bruder mir die Oberlippe
- Von einander, ehe er's gedacht.
- Auch ein Zahn flog mir aus meinem Munde
- Bei demselben unvorsicht'gen Schlag,
- Und als zugenähet war die Wunde,
- Ein paar Tage ich zu Bette lag.
- Essen konnt' ich damals keine Speise;
- Trinken konnt' ich grade auch nicht viel;
- Denn ich trank auf ganz besondre Weise
- Alles nur durch einen Federkiel.
- Da ich hinter meinem Bruder stande,
- Und er meinte, ich ständ nicht so nah',
- Er auch meinen Schaden erst erkannte,
- Als er mich entsetzlich bluten sah.
- Nach der Heilung mir jedoch ein Knötchen
- In der Lippe lange fühlbar blieb,
- Bis mir ein Student das alte Nähtchen
- Beim Rappiren von einander hieb.
- Denn nachdem die Wunde jetzt geheilet,
- Fühlte ich kein altes Knötchen mehr;
- Drum hab' dem Student ich Lob ertheilet,
- Daß er gut zu einem Doctor wär'.
- Dennoch habe ich bis diese Stunde
- Stets gehabt ein Denkmal jenes Tags,
- Denn ein schiefer Zahn in meinem Munde
- Ist die Folge jenes Schippenschlags.
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