- Gegenseitig waren wir zufrieden
- Mit einander in so hohem Grad',
- Daß es, als wir von einander schieden,
- Beiden Theilen leid und wehe that.
- Denn der alte Konrad war ein grader,
- Schlichter, ehrenswerther Bürgersmann,
- Der allmählich mir als wie ein Vater
- Ward von ganzem Herzen zugethan.
- Und sein Bethchen, „meine liebe Alte,“
- Wie ich oft sie habe titulirt,
- Ich im Grabe noch in Ehren halte,
- Weil sie mich so mütterlich regiert.
- Kam's ihr vor, als hätt' ich poculiret,
- Oder 's gäbe etwa ein Duell,
- Ward zum Thee ich von ihr invitiret,
- Daß ich nur nicht ginge von der Stell'.
- Sprach ich: „Sein Sie heute außer Sorgen;“
- „Denn ich gehe nur zum Glase Bier!“
- Sagte sie: „Das können Sie noch morgen,“
- „Diesen Abend bleiben Sie bei mir!“
- Und so hab' ich oft die Abendstunden
- Im Familienkreise zugebracht,
- Und hab' mehr Vergnügen da empfunden,
- Als die Kneipe jemals mir gemacht.
- Alle aßen gern den Nierenbraten,
- Wurden aber öfters drum geprellt,
- Denn die Alte sprach, wenn sie drum baten:
- „Der Herr Spamer hat ihn schon bestellt!“
- Und so konnte sie mit Wahrheit reden;
- Denn ich hatte um das Nierenstück
- Sie für alle Zeiten ja gebeten,
- Und daß sie es halte mir zurück.
- Sanne, Caroline, Katharine
- Hießen die drei Töchter in dem Haus,
- Deren erste gar nicht reizend schiene;
- Doch die zweite sahe lieblich aus.
- Mit der dritten, einem netten Püppchen,
- Hab' ich Mitleid brüderlich gefühlt,
- Als ihr plötzlich schwoll das Oberlippchen,
- Und sie nachher die Geschwulst behielt.
- Jakob, Philipp, ihre beiden Brüder,
- Halfen wie sie im Geschäfte aus;
- Beide wurden später Metzger wieder,
- Und zwar Philipp in der Eltern Haus.
- Die Frau Möhlin hatte von dem Morgen
- Alle Tage bis zum Abend spät
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- In der Küch das Essen zu besorgen
- Für die halbe Universität.
- Die zwei jüngsten Mädchen mußten's bringen
- Den Studenten eine Treppe hoch,
- Und wiewohl sie immer mußten springen,
- Kamen Vielen sie zu langsam doch.
- Welche mehr und welche minder aßen,
- Als die festgesetzte Portion,
- Schrieben sie, damit sie's nicht vergaßen,
- Alsobald auf Schiefertafeln schon.
- Was sie aber nicht also notirten,
- Schrieben sie sich beide hinter's Ohr,
- Bis sie es des Abends referirten,
- Und dem Bruder Jakob sagten vor.
- Denn was diesem sagten die Geschwister,
- Schrieb er jeden Abend pünktlich auf
- In das allgemeine Eßregister,
- Bis zu Ende war der Monatslauf.
- Und den Bauern, welche unten saßen,
- Stets bedient von Sanne und der Magd,
- Hat der alte Möhl, so lang sie aßen,
- Manchen Spaß zum Zeitvertreib gemacht.
- Wenn dann nach des Tages Last und Hitze
- Die Frau Möhlin wieder aufzustehn
- Sich bemühte von dem Sesselsitze,
- Wollten ihre Beine nicht mehr gehn.
- Da hab' oft ich sie am Arm genommen
- Und der steilen Trepp' hinauf gebracht;
- Wenn wir oben waren angekommen,
- Sagte sie mir dankbar gute Nacht.
- Daß ihr Carolinchen mir gefiele,
- Und es mir besonders freundlich war,
- Sah sie täglich zwar an unserm Spiele,
- Aber 's machte ihr kein graues Haar.
- Und so gern und oft wir uns auch küßten,
- Wenn es zu mir auf das Zimmer kam;
- Wir uns doch mit Achtung noch begrüßten,
- Als ich aus dem Hause Abschied nahm.
- Denn bei allem unserm Jugendfeuer
- Und auch in der größten Dunkelheit
- War uns uns're Ehre doch so theuer,
- Daß wir niemals gingen allzuweit.
- Später ward der Metzger Sack ihr Gatte,
- Wieviel Jahre weiß ich nicht genau;
- Doch daß er sie nicht sehr lange hatte,
- Weiß ich, denn sie starb als junge Frau.
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