- Auch die beiden älteren Geschwister
- Sowie das betagte Elternpaar
- Stehen in dem Gießer Sterbregister
- Nunmehr schon geschrieben manches Jahr.
- Philipp, zweimal Wittwer schon geworden,
- Hat sich nicht zum dritten Mal vermählt;
- Ist geachtet hoch an allen Orten,
- Und zum Beigeordneten erwählt.
- Katharinchen hatte zwar genommen
- Seinen schönen Vetter sich zum Mann;
- Aber große Trauer hat's bekommen,
- Als er sich ertränkte in der Lahn.
- Kam ich später wiederum nach Gießen,
- Sprach in Möhl's ich zu auf jeden Fall,
- Und da mußt' als Freund ich was genießen,
- Und wir freuten sehr uns allzumal.
- Und noch heut nach sechsundvierzig Jahren,
- Denn so lange hab' ich Möhl's gekannt,
- Ihre Enkel Freundschaft mir bewahren
- Grade so, als wären wir verwandt.
- Die Frau Möhlin hatte mir versprochen
- Oft schon, einmal zu besuchen mich;
- Weil sie aber täglich mußte kochen,
- War sie festgebannt an ihre Küch';
- „Doch, Herr Spamer, will ich mein Versprechen,“
- Sprach sie, „halten, denn es ist kein Wind,“
- „Und ich muß, eh' mir die Augen brechen,“
- „Sehen, wo Sie hingekommen sind!“
- „Ehe Sie es sich einmal versehen,“
- „Hält' ein Chaischen still an Ihrem Haus,“
- „Und wenn Sie die Augen nach ihm drehen,“
- „Steiget Ihre alte Möhlin aus!“
- Und als endlich auch ich hier sie sahe,
- Freute ich darüber mich so sehr,
- Und es ging mir ihr Empfang so nahe,
- Als ob's meine eig'ne Mutter wär'.
- Katharinchen saß bei ihr im Wagen,
- Philipp aber gab den Kutscher ab,
- Und — wer hätt's gedacht? — nach vierzehn Tagen
- Schlummerte sie schon in ihrem Grab.
- Als sie noch ein Mädchen ist gewesen,
- Und ihr Konrad noch ein Junggesell,
- Hat sie sich denselben auserlesen,
- Und mit ihm verlobet auf der Stell.
- Freilich mocht' sie hübsch und brav ihn finden,
- Als er wandern wollte in die Welt,
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- Weil es, einen eig'nen Herd zu gründen,
- Ihm noch fehlte an dem baaren Geld.
- Als er, seinen Vorsatz auszuführen,
- Auch in ihrem Haus Adieu gesagt,
- Ging sie noch hinaus mit ihm spazieren
- In die schöne, laue Sommernacht.
- „Könntest aber,“ sprach sie, „hier auch bleiben,“
- „Da Du ja Dein Handwerk wohl verstehst,“
- „Und dasselbe hier in Gießen treiben;“
- „Weiß gar nicht, warum Du weiter gehst!“ —
- „Da ich wenig habe hier zu erben,“
- Sprach er, „wie Ihr alle selber wißt,“
- „Muß ich erst ein Sümmchen mir erwerben,“
- „Das zu einem Anfang nöthig ist!“
- „Denn ein Mädchen, welches hat Vermögen“
- „Hier in unsrer lieben Vaterstadt,“
- „Wird mich Armen nicht zum Manne mögen;“
- „Darum weiß ich keinen andern Rath!“
- „Sage mir, warum Du dieses glaubest,“
- „Und Dich selbst im Preis so niedrig stellst,“
- „Und Dir,“ sprach sie, „alle Hoffnung raubest,“
- „Daß auch solchen Mädchen Du gefällst?“ —
- „Wenn ich,“ sprach er, „nun Dich selber fragte:“
- „Höre, Bethchen, willst Du mich zum Mann?“ —
- „Ei, warum denn nicht,“ sogleich sie sagte,
- „Da ich keinen bessern wünschen kann!“
- „Nun, wenn das Dein Ernst ist,“ sprach er weiter,
- „Hier ist meine Hand, so schlage ein!“
- „Hier ist auch die meine,“ rief sie heiter,
- „Und so soll der Handel richtig sein!“
- Nun gab Konrad auf sogleich das Wandern,
- Wollte nicht mehr in die Welt hinaus;
- Sondern sich mit Bethchen bald verandern,
- Welches brachte Segen in das Haus.
- Also Konrad selber mir erzählte,
- Als ich Abends bei dem Pärchen saß,
- Und wenn Bethchen deßhalb auf ihn schmählte,
- That es dieses nur aus lauter Spaß.
- Anno dreiundzwanzig gegen Pfingsten
- Habe ich die Musenstadt quittirt,
- Und mit andern Knaben meinen jüngsten
- Bruder dann zu Hause informirt.
- Als in Kirchberg meine erste Predigt
- Ich gehalten im vorher'gen Jahr,
- Hatte Klingelhöfer mich genöthigt.
- Dessen Vater dorten Pfarrer war.
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