- Samstags blieb ich mehrmals darin stecken,
- Als der Freund mir hat dabei soufflirt;
- Dadurch ließ ich mich jedoch nicht schrecken,
- Und den Sonntag ging sie wie geschmiert.
- Meiner vorgeschrieb'nen Probepredigt
- Hab' am letzten Sonntag in dem Jahr
- Ich in Gießen mich erst dann entledigt,
- Als ich lang schon Candidatus war.
- Predigen hat mir in jenen Zeiten
- Eben keinen großen Spaß gemacht,
- Da ich manchmal mit dem Vorbereiten
- Vierzehn Tage habe zugebracht.
- Doch hab' ich's versucht in Ilbeshausen,
- Crainfeld, Eichelsachsen, Eschenrod,
- Burkhards, Niedermoos und Wingertshausen,
- Wenn der Pfarrer grade war in Noth.
- Sonst hab' in den Candidatenjahren
- Ich der Dichtkunst und Musik gelebt,
- Und nicht selten auch an mir erfahren,
- Wie ein schönes Kind das Herz erhebt.
- Doch die Mädchen, die ich konnte lieben,
- Habe ich in Liedern schon genannt;
- Darum setze, was ich dort geschrieben,
- Hier voraus, als sei es schon bekannt.
- Als gebracht ich hatte auch nach Gießen
- Meinen Bruder Karl in's Pädagog,
- Mußte endlich ich mich doch entschließen,
- Thätiger zu sein als Theolog.
- Damals sah ich Dora mit Entzücken,
- Denn sie war bewundernswürdig schön,
- Und aus ihren zauberischen Blicken
- Konnt' ich, was ich wünschte, leicht ersehn.
- Da ich mich indessen nicht erklärte,
- Sie durch Ueberredung sich hernach
- Mit dem Decker, der sie auch verehrte,
- Auf dem Herchenhainer Markt versprach.
- Als ich nach Verlauf von ein'gen Wochen
- Wiederum einmal nach Burkhards ging,
- Sprach sie: Ja, ich seh's, Sie sind versprochen;“
- „Denn Sie tragen den Verlobungsring!“
- „Aber,“ sprach ich, „wenn ich Ihnen sage,“
- „Daß ich diesen kleinen, alten Ring,“
- „Den ich hier am kleinen Finger trage,“
- „Jüngst aus meiner Mutter Hand empfing?“
- „Und ich kann mich fest darauf verlassen,“
- Frug sie mich, indem sie mich genau,
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- Dabei suchte auf das Korn zu fassen,
- „Daß er nicht ist von der Rabenau?“
- „Hat an jenem unglücksel'gen Tage“
- „Man auch dieses Ihnen vorerzählt,“
- Sprach ich, „glauben Sie mir, wenn ich sage,“
- „Daß ich mir kein Bräutchen noch erwählt!“
- Weil nun ihre Mutter war gekommen,
- Brach sie schnell die Unterredung ab,
- Und ich habe bald darauf vernommen,
- Daß dem Decker sie den Abschied gab.
- Und da dieser rasend war verliebet
- Immer noch in die verlorne Braut,
- Habe ich mich über ihn betrübet,
- Ob er gleich mir Anfangs nicht getraut.
- Als er aber später deutlich sahe,
- Daß ich doch mir keine Mühe gab,
- Und mich seiner Göttin nicht mehr nahe,
- Bat er weinend den Verdacht mir ab.
- Meinem Grundsatz war es ganz zuwider,
- Mich schon zu verloben vor der Zeit;
- Lieber kämpfte ich die Neigung nieder,
- Als ich ein Versprechen hätt' bereut.
- Bald auch wollt' Inspector Scriba nehmen
- Mich nach Wingertshausen zum Vicar,
- Und ich wollte mich dazu bequemen,
- Weil ich doch nun an der Reihe war.
- Und er brachte aus dem Sachsenlande
- Noch dazu ein solches Mädchen mit,
- Das an Reizen, wie ich gleich erkannte,
- Mit der Dora um den Vorrang stritt.
- „Jetzo werden Sie nach Wingertshausen,“
- Sprach er schmunzelnd, „kommen ganz geschwind;“
- „Da Sie unter Einem Dache hausen,“
- „Dort mit diesem feinen Sachsenkind?“
- Da wir in Gedanken uns erschufen
- Schon ein fröhliches Beisammensein,
- Ward vom Kirchenrathe ich berufen
- Zum Vicare hier nach Hermannstein.
- Vier und zwanzig Jahre meines Lebens
- Wurden an demselben Tage voll,
- Als ich trotz des innern Widerstrebens
- Ging von Crainfeld weg mit Friedrich Scholl.
- Während ich von meinen Aeltern schiede,
- Ward so groß in mir der Trennungsschmerz,
- Daß mir wegen ihrer großen Güte
- Fast zersprungen wär' das Kindesherz!
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