- Und der Fuhrmann, der in einem Kasten
- Meine Sachen auf dem Schlitten fuhr,
- Mußte in dem Schnee zuweilen rasten,
- Da er finden konnte keine Spur.
- Als nach Herchenhain wir sind gekommen,
- Wo der Schnee an Stellen haushoch lag,
- Hat es Wunder uns so sehr genommen,
- Daß noch Scholl nach Jahren davon sprach.
- Bis nach Grünberg blieb ich bei dem Schlitten;
- Als er links um dort nach Gießen bog,
- Bin ich rechts nach Kesselbach geschritten,
- Wohin mich mein holdes Bäschen zog.
- Nachdem dort drei Tage ich verweilet,
- Was mir freilich viel zu wenig war,
- Bin am vierten doch ich weggeeilet,
- Und kam her am sechsten Februar
- Anno achtzehnhundertzwanzigsieben,
- Wo ich diese Gegend noch nicht kannt';
- Weil mir aber ward der Weg beschrieben,
- Ich denselben dennoch richtig fand.
- Pfarrer Steinberger, ein Invalide
- So in leib- wie geistlichem Betracht,
- War des Lebens damals herzlich müde,
- Was er täglich hundertmal gesagt.
- Wie ein kleines Kind ward er gefüttert,
- Denn wenn er den Löffel selber nahm,
- Hat er mit der Hand so sehr gezittert,
- Daß er nichts in seinen Mund bekam.
- Dabei war er gänzlich eingenommen
- Gegen einen jeglichen Vicar;
- Da er wider Willen mich bekommen,
- Ich ihm Anfangs nicht willkommen war.
- Doch allmählich hat er mit Vertrauen
- Und mit Freundlichkeit mich angeblickt,
- Und es war fast rührend anzuschauen,
- Wie er mir noch hat die Hand gedrückt.
- Seine Gattin, die er Fritze nannte,
- Die noch rüstig war und wohlgemuth,
- Machte gerne, wenn sie's nöthig fande,
- Sein Betragen wieder bei mir gut.
- Als zum Beispiel er nicht wollte geben
- Mir die Kirchenbücher in die Hand,
- Und den Schlüssel pflegte aufzuheben,
- Hat sie aus den Hosen ihn entwandt.
- Auch hat eine vaterlose Waise
- Sie erzogen, die Louise Lang,
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- Die im Hause Alles hielt im Gleise,
- Daß es ginge seinen rechten Gang.
- Sie war hübsch, erwachsen, treu und fleißig,
- Und zumal von himmlischer Geduld;
- War ihr Herz auch grade nicht so eisig,
- War und blieb es dennoch ohne Schuld.
- Namentlich hat sie des Pfarrers Launen
- Nie zu widerstreben sich erkühnt,
- Und ich mußte oft darüber staunen,
- Wie an ihm den Himmel sie verdient.
- Und durch Wuchs und Schönheit ausgezeichnet
- War die Magd, Elisabetha Kahn,
- Was von Allen Keiner hat geläugnet,
- Die sie hier zum ersten Male sahn.
- Da ich dennoch niemals war beflissen,
- Ihr zu thun, als wäre ich verliebt;
- Meinte sie: „Ach, der muß gar nicht wissen,“
- Daß es zweierlei Geschlechter gibt!“
- Zu den vier beschriebenen Personen
- Kam ich also hier in Hermannstein
- Gleich von meiner Ankunft an zu wohnen,
- Und zog in die Clausenstube ein.
- Statt der heitern, sonnenreichen Stube,
- Die zu Hause ich gehabt zuvor,
- Glich fast diese einer Mördergrube,
- Wo die Lust des Lebens man verlor.
- Feucht und immer düster wie ein Kerker,
- Vor den Fenstern Eisen angebracht,
- Machte sie, daß öfter ich und stärker
- An die alte Heimath hab' gedacht.
- Meine Antrittspredigt hab' gehalten
- Ich dahier am elften Februar,
- Und begann das Amt auch zu verwalten
- Von dem Tage an als Pfarrvicar.
- Vom Inspector Brumhard ordiniret
- Wurde ich am elften März darauf,
- Und die Pfarrer, welche assistiret,
- Legten auch mir ihre Hände auf.
- Und nachdem auch dieses war verrichtet,
- Ward am neunzehnten April ich doch
- Auch in Gießen feierlich verpflichtet
- Von dem ganzen Kirchenrathe noch.
- Von dem Mai an habe fünfthalb Jahre
- Außerdem ich Blasbach vicarirt,
- Wofür jährlich mir dann hundert baare
- Thaler sammt dem Accidens gebührt.
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