- Ich erstaunte über die Erscheinung,
- Die mir Anfangs schiene still zu stehn,
- Bald indessen ward ich andrer Meinung,
- Da ich deutlich sah sie weiter gehn.
- Während sie mir immer näher rückte,
- Ward ich eine Kugel vorn gewahr,
- Hinter der ich einen Schweif erblickte,
- Der von einer Manneslänge war,
- Diese Kugel, von dem reinsten Feuer
- Und wohl einer Kegelkugel dick,
- Bog als wie ein drohend Ungeheuer
- Ihren Schweif bald vorwärts, bald zurück.
- So sah ich den Drachen nieder fahren,
- Und mein Auge blieb ihm zugewandt
- Bis ich ihn nicht weiter konnt' gewahren,
- Da er hinterm Schulhaus mir verschwand.
- Die Beschreibung hab' von diesem Drachen
- Ich dem Zeitungs-Redacteur gesandt,
- Mußte aber nachher selber lachen,
- Als ich nahm die Zeitung in die Hand.
- Dieser hatte nämlich meinen Drachen
- Nach Belieben völlig englisirt,
- Und ihn, um die Sache rund zu machen,
- Nur als Feuerkugel aufgeführt.
- Ob derselbe an dem Ausdruck „Drache“
- Anstoß hatt' genommen, weiß ich nicht;
- Doch erschien durch ihn die ganze Sache
- Nunmehr vor der Welt in falschem Licht.
- An den Lesern hatte er gesündigt,
- Weil er sie nur täuschte und belog;
- An mir selbst, da er, was ich verkündigt,
- Ohne allen Grund in Zweifel zog;
- An der Wahrheit, weil er sie verletzte,
- Und die Sache nicht so stellte dar,
- Sondern anders in die Zeitung setzte,
- Als sie in der That gewesen war.
- An dem armen Drachen aber endlich,
- Der doch wahrlich gar nichts konnt' davor,
- Daß er durch den Redacteur so schändlich
- Namen, Schweif und Existenz verlor. —
- Von dem weiland Superintendenten
- Palmer sind schon lange in dem Lauf
- Anekdoten zwar an allen Enden;
- Dennoch tisch' ich selbsterlebte auf.
- Jede Anekdote muß verlieren,
- Wenn man die Personen nicht gekannt,
|
- Dieß ist ganz besonders zu urgiren
- Bei dem Mann, den eben ich genannt.
- Seine Kleinheit mußte schon frappiren
- Trat man ihm zum ersten Male nah,
- Und sein graues Haar ließ er frisiren,
- Wie man es bei keinem Andern sah.
- Gegen seine, wirklich winz'ge Länge
- Stach die Corpulenz bedeutend ab,
- Und bei jedem seiner Schritt' und Gänge
- Er sich ein besondres Ansehn gab.
- Halstuch, Weste, Frack und kurze Hosen,
- Strümpfe, alles schwarz, und Schnallenschuh'
- Trug er immer und noch einen großen,
- Dreigeeckten schwarzen Hut dazu.
- Niemand sollte sich daran ergötzen,
- Wie der große Hut dem Männchen stand;
- Denn es pflegte nie ihn aufzusetzen,
- Sondern trug ihn stets in seiner Hand.
- Kam es gravitätisch angeschritten.
- Sah man nur entblößt sein geistlich Haupt,
- Welches nach schon längst verscholl'nen Sitten
- Bis zur Stirn mit Puder war bestaubt.
- Seine Haare, ganz zurückgestrichen
- Und gebunden hinten an dem Kopf,
- Boten einen Anblick dar, als glichen
- Ungefähr sie einem Weichselzopf.
- Doch Ihr mögt im Bilde erst beschauen
- Dieses kleine Menschenexemplar,
- Und zugleich auch meinem Zeugniß trauen,
- Daß es völlig so gestaltet war!
- Dieses Männlein war Euch so possirlich,
- Daß auch Jeglichem das Lachen kam
- Bei dem ersten Anblick unwillkürlich,
- Wenn er sich nicht fest zusammen nahm!
- Da im Vogelsberge halten wollte
- Palmer Kirchenvisitation,
- Wünschte er, daß ich begleiten sollte
- Ihn mit Heinrich, seinem ersten Sohn.
- Dankbar setzte ich mich zu den beiden
- In die Superintendenten-Chaise,
- Die „die Arche Noahs“ hieß vor Zeiten,
- Wegen ihrer ungeheuren Größ'.
- Zwei Paar Pferde waren vorgespannet,
- Jegliches mit einem Kutscher schon
- Aus dem Bauernstande wohl bemannet,
- Und so fuhren wir vergnügt davon.
|