- Am Raphaelistage
- In Achtzehnhundert acht
- Und zwanzig war die Frage
- Und Antwort so vollbracht.
- Wohl heißt: Gott hat geheilet,
- Der Name Raphael,
- Das spürt ich unverweilet
- An meiner armen Seel.
- Denn all das große Leiden,
- Das sie zuvor empfand,
- Schlug um in Himmelsfreuden,
- Eh' Raphael verschwand.
- Noch ein'ge Tage länger
- Schwamm er im Wonnemeer,
- Dann ward das Herz dem Sänger
- Allmälig dick und schwer;
- So schwer, daß es beim Scheiden
- Nicht war zu bringen fort,
- Drum mußt' er aus es weiden,
- Der Liebsten lassen dort.
- Die gab dafür das ihre
- Sogleich ihm gern heraus,
- Nun ging aus dem Reviere
- Ein jedes leicht nach Haus.
- Bang an des eignen Stelle
- Des Andern Herz nun schlug,
- Nach seiner alten Zelle
- Fühlt' es der Heimath Zug.
- Der Zug war unerträglich,
- Daß ich ihm folgen mußt',
- Er zog, so oft es möglich,
- Mich an des Liebchens Brust.
- Und da's von beiden Seiten
- Zog nach dem alten Platz,
- So hatten viel zu leiden
- Ich und mein lieber Schatz.
- Und diese unsre Plage
- Ließ auch kein Stündchen nach,
- Und währte, wie ich sage,
- Acht Monat und sechs Tag'.
|
- Am letzten Juni-Tage
- Im andern, neuen Jahr
- Da wechselte die Lage
- Erst an dem Traualtar.
- Am Abend vor der Trauung —
- Wir saßen in der Küch'
- In herzlicher Erbauung —
- Schrie sie: „du beißest mich! —
- „Wirst du nicht gleich versprechen,
- „Daß das nie mehr geschieht,
- „So muß mein Wort ich brechen,
- „Und wir sind wieder quitt!“
- „Ich habe nie gebissen
- „Ein zartes Mägdelein,
- „Und hab' ich's jetzo müssen,
- „So ist die Schuld nur dein.
- „Gebeut der Reize Schimmer,
- „Und sei nicht gar zu schön,
- „So soll es nun und nimmer
- „Zum zweiten Mal geschehn!
- „Doch wirst du dies vergessen
- „Und locken die Gefahr,
- „So werd' ich dich noch essen
- „Einmal mit Haut und Haar!“
- „Bei einem solchen Esser
- „Erfaßt mich Schreck und Graus!
- „Adieu, Herr Menschenfresser!“
- Zur Küch' war sie hinaus.
- Und als hierauf die Rede
- Auf ihre Mitgift kam,
- Und ob man g'nug mir böte,
- Also das Wort ich nahm:
- „Ach, liebe, gute Leutchen,
- „Nach Geld steht nicht mein Sinn;
- „Gebt mir nur mit mein Bräutchen,
- „Und laßt mich fröhlich zieh'n!“
- Bei diesen Worten blickte
- Sie wie verklärt mich an,
- Die Hand sie sanft nur drückte:
- „Komm, lieber Christian!
|