- „Dir doch noch was verschreiben,
- „Was Du an dieser Stell'
- „Ein paarmal ein magst reiben,
- „Und dann vergehet's schnell!“
- Doch, als sie sich geschmieret
- Nach ihres Arztes Wort,
- War sie also kuriret,
- Daß sie nicht konnte fort,
- Ja nicht einmal mehr stehen,
- Und mußte in das Bett,
- Und ich mußt' wieder sehen
- Das alte Lazareth.
- Noch dreizehn Monat' litte
- Sie nunmehr accurat,
- Und zwar nach ihrer Sitte
- Geduldig früh und spat.
- Zuletzt ihr Hirn erweichte,
- Und trat Betäubung ein,
- Daß kein Bewußtsein zeigte
- Sich in des Auges Schein.
- Das Haar ward abgeschnitten,
- Der Kopf mit Eis bedeckt,
- Doch dadurch und durch Bitten
- Der Tod nicht abgeschreckt.
- Es war am sechsten Tage
- Septembers, als wir laut
- Beweint mit Trauerklage
- Die reine Himmelsbraut.
- Als neunundzwanzig Tage,
- Vier Monat, dreizehn Jahr'
- Sie alt geworden, lage
- Sie auf der Todtenbahr'.
- Stets war sie meine Freude,
- Und hat mich nie betrübt,
- Drum fühle ich noch heute,
- Wie sehr ich sie geliebt.
- Man brachte — zum Beweise,
- Wie lieb sie Andern war —
- Viel Blumenkränz' und Sträuße
- Noch ihrer Leiche dar.
|
- An ihrer Mutter Seite
- Schläft sie in kühler Gruft,
- Bis einst zur ew'gen Freude
- Der Todtenwecker ruft.
- Wie ihre theuren Züge
- Mir fest im Herzen steh'n,
- So kann man zur Genüge
- Sie noch im Bilde seh'n. —
- Auch anno vierzig sieben
- Ist mir etwas passirt,
- Was ich Euch noch, Ihr Lieben!
- Bisher nicht angeführt.
- Am Sechzehnten des Neunten
- Nicht lang nach Mitternacht
- Ward nämlich mir von Freunden
- Ein Mädchen dargebracht,
- Dem fehlten alle Kleider,
- Die Strümpfe und die Schuh';
- Es wollte auch nicht weiter,
- Und störte meine Ruh'.
- Da rief ich: „Herzensschätzchen!
- „Wer hat in aller Welt
- „Denn dieses kahle Rätzchen
- „Da bei der Amm' bestellt? —“
- „Mich brauchst Du nicht zu fragen!“
- Sprach sie mich lächelnd an;
- „Ich kann Dir so viel sagen:
- „Ich — hab' es nicht gethan.“
- „Nun, ich will's auch nicht wissen,
- „Und will auch keinen Zank,“
- Sprach ich, „nur laß Dich küssen
- „Dafür zum größten Dank! —“
- Hatt' ich nun kein Vergnügen
- Und Anna keine Ruh',
- So fing ich an zu wiegen,
- Und sang ihr Eins dazu. —
- In jenen schönen Tagen
- Ich und mein liebes Weib
- Einmal zusammen sprachen
- Also zum Zeitvertreib.
|